Die Patientenverfügung – Ethik und Recht am Lebensende
Die Vorsorgevollmacht: eine vorausschauende Massnahme für jeden Erwachsenen
Der aktuelle Wille eines einwilligungsfähigen Patienten hat immer Vorrang, auch wenn eine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht vorliegt. Bei Intensivpatienten sollen frühzeitig das Therapieziel, die medizinische Indikation sowie der Patientenwillen evaluiert werden.
Patientenverfügung
Kurzbeschreibung: Ein Patient verfasst eine Verfügung darüber, welche medizinischen Maßnahmen bei ihm ergriffen werden dürfen und welche nicht, für den Fall, dass er selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist.
Abgrenzung zur Vorsorgevollmacht
Bei der Patientenverfügung entscheidet der Patient im Voraus ganz konkret über medizinische Maßnahmen.
Bei der Vorsorgevollmacht entscheidet der Patient über keine Maßnahme selbst, sondern bevollmächtigt einen Dritten, über solche Maßnahmen zu entscheiden.
Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht können und sollten kombiniert werden.
Formalitäten
Schriftliche Form, vom Patienten eigenständig zu unterschreiben.
Bedarf keiner juristischen Prüfung und Legitimierung, kann aber zur Vorbeugung von Unstimmigkeiten notariell beurkundet werden.
Die Patientenverfügung legt konkret fest, welche medizinischen Maßnahmen bei einem Patienten durchgeführt werden dürfen und welche nicht.
Vorsorgevollmacht
Kurzbeschreibung: Ein Patient stellt einer meist nahestehenden Person eine Vollmacht für einen bestimmten Bereich aus. Bspw. medizinische Versorgung oder Vermögensangelegenheiten. Der Bevollmächtigte darf nun in bestimmten Grenzen anstelle des Patienten entscheiden, wenn dieser nicht mehr entscheidungsfähig ist.
Zusätzliche freiheitsentziehende Maßnahmen können in der Vorsorgevollmacht verankert werden. Diese müssen ausdrücklich schriftlich festgelegt werden. Falls dies nicht der Fall ist, müssen diese Massnahmen durch das Betreuungsgericht genehmigt werden.
Abgrenzung zur Patientenverfügung: Die Vorsorgevollmacht bevollmächtigt eine bestimmte Person, die Patientenverfügung regelt bestimmte medizinische Maßnahmen (z.B. künstliche Ernährung).
Abgrenzung zur Betreuung und zur Betreuungsverfügung
Sowohl die Vorsorgevollmacht als auch die Betreuungsverfügung dienen der Bevollmächtigung eines Dritten bzw. der Abgabe von Persönlichkeitsrechten, wenn es zum Verlust der Einwilligungsfähigkeit kommt. Die Vorsorgevollmacht bevollmächtigt diesen Dritten nur in einem gewissen Rahmen (z.B. können freiheitsentziehende Maßnahmen nicht entschieden werden), bedarf aber keiner rechtlichen Prüfung. Ist ein größerer Rahmen notwendig (z.B. bei chronischer psychischer Erkrankung und/oder Bedürftigkeit in einem bestimmten Bereich), wird zumeist eine gesetzliche Betreuung notwendig. Mit Hilfe einer Betreuungsverfügung kann dem Gericht ein Vorschlag gemacht werden, wer dieser Dritte im Falle der eigenen Hilfsbedürftigkeit sein soll.
Formalitäten
Schriftliche Form, vom Patienten eigenständig zu unterschreiben.
Bedarf keiner juristischen Prüfung und Legitimierung, kann aber zur Vorbeugung von Unstimmigkeiten notariell beurkundet werden.
Die Vorsorgevollmacht bevollmächtigt einen nahestehenden Dritten, ohne richterliche Prüfung über die (medizinischen) Belange eines Patienten im Falle einer Nicht-Einwilligungsfähigkeit zu entscheiden!
Die Patientenverfügung
Die von uns empfohlenen Formulare zum Download für die Patientenverfügung sind die des Bundesministeriums für Gesundeit (BMG), in Zusammenarbeit mit dem BMJV (Bundesministerium für Jugend und Verbraucherschutz) und das Formular der deutschen Initiative für Patientenverfügung (DIPAT; kostenpflichtig).
Das Problem:
In diesen Formularen wird der Patient konkret nach verschiedenen Szenarien gefragt, in denen er weiterleben will oder nicht, – und nach Massnahmen, die er unter Umständen bereit ist, anzunehmen oder abzulehnen.
Die Faktoren, die eine Entscheidung bestimmen, sind vielfältig: das Lebensalter des Patienten, die Lebensumstände, konkrete Faktoren im unmittellbaren Lebensumfeld des Patienten, die kurzfristig eingetreten sind oder schon länger bestehen (z.B. finanzielle, soziale oder psychosoziale Faktoren).
Die größte Variable bei der Entscheidungsfindung ist sicher die ungewisse medizinische Prognose bei der Durchführung einer intensivmedizinischen Maßnahme. Sie hängt ab vom akuten Krankheitszustand des Patienten und seinen Vorerkrankungen. Der akute Krankheitszustand und damit seine Prognose kann sich minütlich ändern.
Als Beispiel ist eine Wiederbelebungsmassnahme bei Herzstillstand während einer laufenden medizinischen Untersuchung (Herzkatheter, Belastungs-EKG) sofort und mit hoher Erfolgsrate ohne Spätschäden verbunden. Dagegen hat eine Wiederbelebungsmassnahme (Reanimation) bei einer unklar langen Bewußtlosigkeit eine deutlich schlechtere Prognose mit lebenslangen Spätschäden. Häufig sieht man erst im kurzfristigen Verlauf, wie sich die weitere Prognose und das mutmaßliche Leiden entwickeln wird. Generelle Ausschlüsse einer Reanimation verhindern im einen Beispiel ein normales Weiterleben, im anderen Fall vermeiden sie ein schweres Leiden.
Lösungsmöglichkeiten:
Die zum Download verfügbaren Formulare für eine Patientenverfügung halten wir für einen Patienten doch als schwierig auszufüllen, da dabei viele unterschiedliche Szenarien dargestellt werden, die für den Laien nicht einfach zu beurteilen sind. Zum Beispiel: Wann befinde ich mich bereits in einem unaufhaltsamen Sterbeprozess und wann nicht.
Daher bieten wir Ihnen unser unten aufgeführtes Formular an (kostenfrei). Es basiert auf der sogenannten Esslinger Initiative.
Es gibt unter bestimmten Umständen einen konkreten Verzicht auf manche intensivmedizinische Massnahmen vor (ohne viele Entscheidungsbäume nach dem Muster: „wenn a, dann nicht b“).
Diese Massnahmen können aber individuell jederzeit von Ihnen modifiziert werden.
Entscheidend darüber hinaus ist für uns das gemeinsame Gespräch zwischen Ihnen und uns, bei dem wir im Rahmen unserer meist viele Jahre langen gemeinsamen Arzt-Patienten-Beziehung Ihren mutmaßlichen Willen und Ihre Werteeinstellungen in gesunden Tagen als auch eventuell bei schweren Erkrankungen kennengelernt haben.
Mit dem von uns gegengezeichneten Formular können wir dann in Ihrem Auftrag und im Rahmen Ihrer Wertvorstellungen sinnvolle und nicht sinnvolle Maßnahmen mit den behandelnden Ärzten*innen auf einer Intensivstation besprechen und so in Ihrem Sinne entscheiden.
In den über 20 Jahren niedergelassener Tätigkeit haben wir bei der Besprechung dieses Themas auch viele Patient*innen kennengelernt, die bewusst auf eine schriftliche Niederlegung einer Patientenverfügung verzichten wollen, und die dennoch nicht alle intensivmedizinische Massnahmen wünschen. In diesem Fall notieren wir in Ihrer Krankenakte, dass wir mündlich darüber gesprochen haben (mündlich geäußerter Wille). Dieser Vermerk ist jedoch nicht juristisch bindend.
Dennoch ist er ein wertvoller Hinweis, da wir als Hausarzt doch häufiger von den betreuenden Intensivmedizinern gefragt werden, was der mutmassliche Wille des Patienten ist – oder können auch aktiv auf die Intensivmediziner zugehen, wenn wir erfahren, dass Sie sich in einer lebensbedrohlichen Situation befinden.
Der Vermerk dient so als nicht juristisch bindende Entscheidungshilfe zum Beispiel zusammen mit Äusserungen der Angehörigen.
Gerne laden Sie sich das Formular des BMG herunter (unten der entsprechende Link).
Entscheiden Sie selbst über Ihre Einstellung zu möglichen Szenarien (Entscheidungsbäume).
Für Menschen, die sich intensiv mit diesem Thema beschäftigen, ist auch das Formular der DIPAT sehr sinnvoll. Es ist kostenpflichtig. Mit ungefähr 30 Fragen wird dann Ihre individuelle Patientenverfügung zusammengestellt. Das Formular ist zentral hinterlegt. Man kann auf seiner Versichertenkarte die Nummer des Formulars aufkleben. Jährlich wird man elektronisch erinnert, ob sich an Ihrem Willen / Einstellung etwas geändert hat, und Sie das Formular aktualisieren wollen.
Vorsorgevollmacht
Hier halten wir das unten angegebene Formular des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz für sehr empfehlenswert.
In diesem Formular können Sie auch festlegen, ob Sie die Vollmacht auf Ihre gesundheitlichen Aspekte beschränken oder diese auch auf finanzielle Aspekte ausweiten wollen.
Besteht bezüglich finanzieller Aspekte, Abhängigkeitssituationen, Verpflichtungen gegenüber Dritten die Notwendigkeit bzw. der Wunsch nach einer detaillierten Regelung, ist eine Vorsorgevollmacht / Testament beim Notar (gebührenpflichtig) dringend angeraten.
Sprechen Sie bitte mit dem Bevollmächtigten über Ihren Patientenwillen, und legen Sie diesen ihm auch schriftlich dazu, damit der Bevollmächtigte auch weiß, wie er für Sie entscheiden soll.
Betreuungsverfügung
Diese ist dann sinnvoll, wenn Sie keine Vorsorgevollmacht erteilen möchten. Sie muss jedoch bei einem Notar gebührenpflichtig ausgestellt werden.
Dies macht zum Beispiel Sinn, wenn Sie über keine nahen Angehörige / Freunde verfügen, oder wenn Sie diese nicht mit der Betreuung für Sie belasten möchten – und stattdessen lieber eine neutrale Person, die dann von einem Betreuungsgericht bestellt werden muss, mit Ihrer Betreuung beauftragen.
Eine notarielle Betreuungsverfügung ist auch sehr zu empfehlen / notwendig bei chronischen geistigen Erkrankungen.
Bei fehlender Betreuungsverfügung wird bei der Notwendigkeit von freiheitsentziehenden Massnahmen (z.B. Bettgitter bei Dementen, Weglauftendenz, Fremd- oder Selbstgefährdung) der Hausarzt vom zuständigen Betreuungsgericht angeschrieben, und der behandelnde Arzt muss dann eine Aussage darüber treffen, ob er dieser Massnahme zustimmt oder nicht.
Fazit:
Jeder Mensch in Deutschland sollte eine Vorsorgevollmacht haben (gebührenfrei).
Bei komplexeren finanziellen und/oder sozialen Situationen ist eine notarielle Absicherung der Vorsorgevollmacht (gebührenpflichtig) vorzuziehen.
Für Menschen, die nicht in jedem Falle alle intensivmedizinischen Maßnahmen mit zum Teil ungewissem Ausgang / Prognose in Anspruch nehmen wollen, ist eine schriftliche Patientenverfügung sinnvoll.
Alternativ vermerken wir in unserer Patientenakte, dass wir mündlich über ihre Werteeinstellungen zum Thema lebensverlängernde Massnahmen gesprochen haben (juristisch nicht bindend).
Eine Betreuungsverfügung (notariell, gebührenpflichtig) kommt dann in Betracht, wenn man keine Vorsorgevollmacht erteilen will, oder wenn es sich um chronische, psychische Erkrankungen handelt.
Die Broschüre der Patientenverfügung können Sie bei uns auch ausgehändigt bekommen.
Weitere Informationen finden sie unter: